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Der Geheimkult Online-Shop des heiligen Trüffels - Verschwörungsglaube und Zauberpilze


Provithor

Die Firma "Provithor" vertreibt seit 2019 "natürliche Psychedelika", unter anderem psychedelische Trüffel. Möglich ist dies durch zwei Gesetzeslücken: Zum einen dürfen in den Niederlanden nur die oberirdischen Fruchtkörper psychedelischer Pilze nicht gehandelt werden. Diese Formulierung im Gesetzestext führte dazu, dass Züchter bereits vor über 20 Jahren dazu übergingen, psychedelische Trüffel - also Pilze deren Fruchtkörper unter der Erde wachsen - zu züchten. Zum zweiten ist durch das EU-Recht bestimmt, dass Waren mit denen in einem der Mitgliedsstaaten Handel betrieben werden darf auch in allen anderen EU-Ländern gehandelt werden darf. Zudem verkauft Provithor in seinem Online-Shop noch CBD-Produkte und Zutaten für die Zubereitung von Ayahuasca, aber auch das bei Verschwörungstheoretikern als alternatives Heilmittel beliebte DMSO verkauft. Lionel Schibli (siehe den vorherigen Teil dieser Serie) verkauft in seinem Online-Shop "fliegenpills" unter anderem Trüffel von "Provithor"1. "Provithor" wiederum bewirbt auf seiner Website den Retreat der beiden Brüder, die sie angeblich "seit Jahren [kennen] und auf ihr Fachwissen [vertrauen], weshalb [sie sich] für eine Zusammenarbeit mit ihnen entschieden haben".2

Was es bedeutet, dass "Provithor" als die Marke "hinter mycelf"3 bezeichnet wird ist nicht ganz klar. Diese Frage ist eine von den vielen, die Lionel Schibli nicht beantworten wollte. Anzunehmen ist, dass "Provithor" die psychedelischen Trüffel liefert, die "mycelf" in seinen Retreats benutzt. Welche Vorteile ziehen die jeweiligen Partner noch aus der Verbindung? Handelt es sich um eine bloße Werbepartnerschaft? Oder ist ein Grund für die Zusammenarbeit die Ähnlichkeit in den Weltanschauungen der Personen, die die beiden Unternehmen betreiben?

Lilli Steingräber

Gründerin und Geschäftsführerin von "Provithor" ist Lilli Steingräber.4 5 Sie bezeichnet sich selbst als "Zauberpilz- und Trüffelenthusiast seit 2015" und "will Microdosing in den Mainstream bringen" (ebd.) Sie ist oder war zumindest auch Geschäftsführerin der "Natural Microdosing Society", einem "kleinen Team von Microdosing und Magische-Trüffel-Enthusiasten".6 Sie ist im Internet für "Provithor" unterwegs, beispielsweise auf Instagram als @pilzezauber oder @fungi_of_europe. Mittlerweile betreibt "Provithor" nicht nur einen Online-Shop für Zaubertrüffel, sondern veranstaltet selbst psychedelische Retreats auf Gran Canaria, die auch von ihr geleitet werden7. Der versprochene Nutzen eines Besuches in diesem Retreat wird mit den üblichen Floskeln beschrieben: Die magischen Trüffel sollen "Einblick in Ihr Selbst auf emotionaler, intellektueller und spiritueller Ebene" gewähren oder "Werkzeug für Heilung und Wachstum sowie für die spirituelle und persönliche Entwicklung" sein. (ebd.)

Odin würfelt nicht

Früher hieß "Provithor" "Thortrüffel", 2020 existierten beide Marken gleichzeitig.8 Die Namen der psychoaktiven Trüffel, die "Provithor" bzw. "Thortrüffel" verkaufen, sind sämtlich aus der germanischen Mythologie entlehnt: Sie heißen etwa Thor, Freya oder Heimdall. Am 12.06.2020 postete das Unternehmen auf seiner Facebook-Seite9 Bilder von Comic-Versionen einiger germanischer Götter, die als Namenspaten für die verschiedenen Produkte dienten. Darunter auch eine Zeichnung von Odin (auch: Wotan), der einen Würfel in der Hand hält. Zwei Flächen des Würfels sind auf dem Bild zu sehen: Auf einer der Seiten ist - wenig überraschend - der Wotansknoten abgebildet. Der Wotansknoten, auch Valknut genannt, ist ein beliebtes Symbol in der rechten Szene10, ist aber natürlich im Zusammenhang mit einer Abbildung von Wotan nicht weiter anrüchig. Das gilt allerdings nicht für das andere abgebildete Runen-Symbol: Es handelt sich dabei um die ebenfalls in der rechten Szene sehr beliebte Odal-Rune. Sie ist die letzte Rune des älteren Futhark und bedeutet vermutlich "Erbbesitz" oder auch "Heimat"11. Diese Rune wird gerne von radikal rechten Gruppierungen und - in nur leicht veränderter Form - auch auf verschiedenen Dienstgradabzeichen der Bundeswehr benutzt. Im Dritten Reich wurde sie als das Symbol für "Blut und Boden" gedeutet.12

Das Profilbild der Facebook-Seite von "Thortrüffel" bestand aus einer Reihe von Symbolen und Namen aus der nordischen Mythologie die für die angebotenen Produkte stehen sollen. Einige dieser Symbole sind harmlos und konventionell, wie etwa die "Fehu"-Rune mit dem Lautwert "F" die hier für Freya stehen soll, der Wotansknoten für Odin oder der Thorshammer für Thor. Allerdings ist dort auch ein - verfremdetes aber unzweideutiges - Hakenkreuz Teil des Symbols für die "Sorte" "Ragnarök". Als Symbol für Heimdall wurde - warum auch immer - die Man-Rune benutzt. Diese Rune gilt als Symbol der Kraft des Volkes und der völkischen Bewegung und ist auch heutzutage noch in rechten Kreisen sehr beliebt. Wird sie im Zusammenhang mit der SA oder dem "Lebensborn" benutzt, ist diese Rune in Deutschland sogar verboten.13 Warum wird sie also an dieser Stelle eingesetzt? Aus Absicht oder aus Unwissenheit?

Runen

Ein absichtsvoller Einsatz dieser Symbole ist eine naheliegende Interpretation, denn Lilli Steingräber verbreitet gerne Verschwörungsschwachsinn, der gängige rechte Vorstellungen bedient. Beispielsweise kommentierte sie als @fungi_of_europe auf Instagram einen Post von Lionel Schibli: Dort schrieb sie, die "Heiligen Pilze" seien von "Mafia und Big Pharma" kriminalisiert worden, weil sie "extrem positiv"14 wirkten. Immerhin geht Lionel nicht d'accord mit diesen kruden Vorstellungen, lakonisch antwortet er darauf nur mit "du konsumierst safe sehr viele Medien" (ebd.). In einem Kommentar auf der Seite germanische-heilkunde.at schrieb Steingräber, die "brandgefährliche Hirnwäsche-Chemikalie" LSD sei "im Auftrag des Deep State" entdeckt worden. Die beiden Substanzen LSD und Zauberpilze könnten deshalb nicht unter dem Sammelbegriff "Psychedelika" zusammengefasst werden, denn im Gegensatz zu den Pilzen wohne dem LSD "kein Geist inne, es [sei] synthetisch, binär und tot".15 Weiterhin bezieht sie sich noch explizit auf das im Jahr 1970 veröffentlichte Buch "The Sacred Mushroom and the Cross" von John M. Allegro auf das sich auch Lionel Schibli auf der "Informations"-Seite von "fliegenpills" bezieht16 Ist Steingräber Anhängerin der "Germanischen Neuen Medizin" (GNM), die von der Website "Germanische Heilkunde" propagiert wird? Oder versucht sie lediglich, sich einer Zielgruppe anzubiedern, die einer "alternativen", "spirituellen" und psychedelischen Medizin mit germanischen Namen vielleicht nicht ganz abgeneigt sein könnte? Wie im zweiten Teil dieser Reihe bereits beschrieben, gibt es durchaus Heilpraktiker und Scharlatane die psychedelische Substanzen zu Heilzwecken empfehlen. Einige von ihnen, wie beispielsweise der radikal rechte Esoteriker Ruediger Dahlke, stehen auch der GNM nahe und werden von vielen Menschen im psychedelischen Milieu durchaus positiv rezipiert.

In seinem Buch "The Sacred Mushroom and the Cross" (Deutscher Titel: "Der Geheimkult des heiligen Pilzes") behauptete Allegro, dass der Ursprung des Christentums und anderer Religionen im Gebrauch von Fliegenpilzen läge. Auch wenn das Buch das Ergebnis einer langen und aufwändigen Recherche eines ausgebildeten Wissenschaftlers ist, enthält es doch erhebliche fachliche Fehler (zu einer ausführlichen Kritik siehe diesen Artikel von Chris Bennett17), die es nicht grundsätzlich wertlos machen, die dort formulierten Aussagen sind jedoch mit Vorsicht zu genießen.

Zusätzlich zu ihrer Tätigkeit bei "Provithor" ist Steingräber noch bei der Firma "Enebird" für das Marketing zuständig.18 Der CEO von "Enebird" ist David Schlesinger, mit dem sie auch ein Buch mit dem Titel "Sacred Magic Mushrooms Sacred Magic Truffles: War on Drugs, legality, studies, fake news, usage, dosage, storing, microdosing"19 verfasst hat. Schlesinger wiederum ist für Provithor als "free consultant" tätig.20

David Schlesinger

Schlesinger – der bereits 2004 von einer "Psychedelischen Renaissance" sprach21 - ist im psychedelischen Milieu schon länger bekannt: Bereits um die Jahrtausendwende handelte er mit seiner Firma "NG Eurotrade" mit psilocybinhaltigen Pilzen. Damals verschickte er von den Niederlanden aus Pilze nach Deutschland, die dann dort von Wiederverkäufern mit sogenannten "Pilztaxis"22 23 an die Kunden verteilt wurden. Rechtliche Grundlage dafür war eine Gesetzeslücke, die aber vielleicht auch nur von Schlesinger imaginiert worden war24, es kam zu mehreren Gerichtsverfahren.25

Nach dem Ende von "NG Eurotrade" gründete er unter anderem die "Sacred Mushroom Church of Switzerland" und stand ihr als selbsternannter Pastor vor. Dabei sah er sich als Teil der US-amerikanischen "International Copelandia Church of God", einer obskuren "virtuellen" Kirche26 als deren Reverend bzw. "Geschichtenerzähler" er sich bezeichnete.27

Auf der Website der Kirche formulierte er Ansichten über Gesundheit und Krankheit, die denen der GNM nahestehen: Wie diese verstand er "Krankheiten als individuelles äußeres Symptom einer inneren "Störung"30. Heilen kann die Kirche - Schlesinger zufolge - "indem wir den Blick von der Krankheit zur Gesundheit richten, also das Gleichgewicht suchen, um die Spannungen offenzulegen. Dies erreichen wir durch die Kraft unseres Sakramentes, welches uns zur Balance mit dem Universum bringt und damit die Kraft und innere Einsicht gibt, die Quellen der Spannungen zu finden und damit abzubauen und so ein immer höheres Maß an Gesundheit zu erlangen" (ebd.) Ansichten dieser Art durfte er 2003 auch in den "Entheogenen Blättern" verbreiten31, zur Rechtfertigung seiner laienhaften medizinischen Ansichten benötigte er dabei – wie alle Scharlatane - den Popanz der sogenannten "Schulmedizin" um in einer Abgrenzung von dieser seinen kruden Ansichten vermeintliches Gewicht zu verleihen.

Schlesinger verteilte mindestens 23 Kilogramm frische und 60 Kilogramm getrocknete psychedelische Pilze gegen "Spenden" und nahm dabei insgesamt ca. 350.000 Schweizer Franken ein. Deshalb wurde er für völlig unverhältnismäßige 429 Tage in Untersuchungshaft eingesperrt. Bis der Prozess gegen ihn tatsächlich begann, dauerte es nochmals über zehn Jahre.32 War das Gericht zu unfähig, angemessen mit dem Fall umzugehen oder handelte es sich hier vor allem um einen politischen Akt, bei dem an Schlesinger ein Exempel statuiert werden sollte? Schlesinger jedenfalls spricht von seiner Untersuchungshaft als einer "Beugehaft". Es ist vollkommen nachvollziehbar und richtig, dass er über die willkürliche und unrechtmäßige Behandlung durch die Justiz sehr aufgebracht ist, als Opfer sieht er sich indes nicht, denn er habe ja provoziert (ebd.). Als der Prozess vor dem Regionalgericht Bern-Mittelland dann endlich stattfand, wurde er zu einer bedingten Freiheitsstrafe (Eine bedingte Strafe ist im Schweizer Strafrecht eine zur Bewährung ausgesetzte Strafe) von 18 Monaten verurteilt. Ohne Zweifel hat die schweizerische Justiz David Schlesinger übel mitgespielt, trotzdem bleibt er eine extrem fragwürdige Person mit befremdlichen und gefährlichen Ansichten.

"Er hat zu mir gesprochen und gesagt: DU sollst der Pilzpastor sein! Also was sollte ich Gott sagen? Nee, mach’s selbst? Haha, ich will den sehen, der nicht tut, was Gott ihm persönlich aufträgt..."

Die Richterin des ersten Verfahrens warf ihm vor, ein "Überzeugungstäter"33 zu sein und tatsächlich behauptet er, Gott persönlich habe ihn zum Pilz-Pastor ernannt: "Er hat zu mir gesprochen und gesagt: DU sollst der Pilzpastor sein! Also was sollte ich Gott sagen? Nee, mach’s selbst? Haha, ich will den sehen, der nicht tut, was Gott ihm persönlich aufträgt..."34 Er stilisiert sich dabei auch gerne als Märtyrer - etwa, wenn er das Verbot der Zauberpilze als "präventiven Genozid an einer Religionsgemeinschaft" bezeichnet35 oder wenn er in seinem Buch "Drogenpolitischer Hexenwahn" davon spricht, für "die Religionsfreiheit der Esser des Chrestos, des Fleisches Gottes, des Heiligen Pilzes [zu] kämpfen".36 Mit seinen religiösen Vorstellungen bezieht er sich also dabei - wie Steingräber und Lionel Schibli - ebenfalls explizit auf die Ideen Allegros.

Über den Prozess gegen Schlesinger hat Lilli Steingräber auf "LinkedIn" einen Text verfasst, dort schreibt sie auch über die Heilkraft von Pilzen und über "Provithor".37 Schlesinger hingegen hat "insanity-praising LinkedIn" den Rücken gekehrt und verbreitet seinen Sermon jetzt lieber auf der rechten Twitter-Alternative Gab.38

Schlesinger ist allerdings - trotz seiner schlechten Erfahrungen mit dem Rechtssystem - kein Befürworter der (längst überfälligen) Re-Legalisierung von Pilzen oder anderen psychoaktiven Substanzen. Ihm zufolge dient der Einsatz "für eine Legalisierung von was auch immer" nur dazu, "sinnlose Hoffnung für von der Gesellschaft Enttäuschte zu kreieren und 'alles beim Alten' zu lassen".39 Vielmehr fordert er, dass das "Betäubungsmittel-Gesetz wortwörtlich [...] im geschriebenen Wortsinn angewendet wird – und nicht im Sinne der menschenverachtenden, selbst-verliebten inquisitorischen und besserwisserischen Hetzer bei der Polizei und Staatsanwaltschaft".40 Wie Philemon Schibli scheint auch er ein Verfechter des psychedelischen Exzeptionalismus zu sein. Wie Steingräber wehrt sich Schlesinger ebenfalls gegen die Gleichbehandlung der beiden Substanzen LSD und Zauberpilze (ebd.).

Ein zweites Verfahren gegen Schlesinger sollte im März 2020 beginnen41, ob und wie es zu Ende ging, lässt sich nicht ermitteln; eventuell kam es auch (noch) nicht zu einem Abschluss des Verfahrens.

Im Internet findet man ihn unter dem Nickname "PassThor David" (passthor.info ist auch der Name seines mittlerweile nicht mehr betriebenen Blogs) oder Variationen davon. Er schreibt gerne Kommentare auf Verschwörungsblogs und vertritt dort Meinungen, die sich inhaltlich und sprachlich nicht wirklich von denen anderer Menschen aus dem Verschwörungsmilieu unterscheiden: Etwa, dass die BRD eine Diktatur ("DDR 2.0") sei 42 oder dass Joe Biden ("PedoJoe Brib'em") den Kommunismus einführen wolle.43

Er betrieb und betreibt neben passthor.info noch weitere eigene Webseiten: Die dort ausgedrückten Ansichten gehen in eine ähnliche Richtung, beispielsweise wenn er schreibt, der Feminismus sei erfunden worden, um "die verantwortungslosen, brutalst schädigenden Mütter als 'gute Menschen' und 'Opfer der Männer' zu stilisieren – und so eine Gesellschaft zu erschaffen, die man als mythomanisch bezeichnen könnte, in der die 'charismatische Lüge' zur Wahrheit wird und die objektive Wahrheit und Realität zum Mythos".44 Hintergrund dieser und ähnlicher Aussagen scheint die Trennung von seiner langjährigen Ehefrau zu sein.

Im Moment schreibt Schlesinger gerade zusammen mit Hans Kolpak an einem Buch namens "Die Zeit des Anderen" mit dem Untertitel "So schützen sich Empathen vor notorischen Lügnern".45 Mit Empathen meinen die beiden natürlich sich selbst, nach eigenen Aussagen sind beide in ihrem Leben das Opfer von Mythomaninnen in Gestalt diverser Ex-Partnerinnen geworden. Schuld daran ist der "verlogene Sexismus, der sich 'Feminismus' nennt".46 In diesem Buch bezieht sich auch Co-Autor Kolpak positiv auf die GNM.

Auch Schlesinger ist Teil des von "Provithor" auf Gran Canaria angebotenen Retreats, dazu sei er qualifiziert, denn er "leitet seit über zwei Jahrzehnten psychedelische Gruppensitzungen"47 und meint damit wohl auch die Zeremonien, die er als "Pilzpastor" durchführte, ohne deren pseudo-religiöses Fundament und seine dementsprechende Rolle48 auch nur anzudeuten. Es stellt sich außerdem die Frage, ob er überhaupt psychisch, menschlich und weltanschaulich dazu in der Lage ist, unter dem Einfluss bewusstseinsverändernder Substanzen stehende Menschen zu betreuen. Sieht man sich die Äußerungen an, mit denen er seit Jahren an die Öffentlichkeit tritt, müssen daran erhebliche Zweifel aufkommen.

Hans Kolpak

Schlesingers Freund und Co-Autor Hans Kolpak ist der Betreiber mehrerer Websites, oft unter seinem Pseudonym Hans-Emik Wurst, einem "Wortspiel" aus Hanswurst und Polemik. Einige seiner Seiten dienen dazu, seine Dienste zu bewerben; er schreibt Pressetexte und dreht Image-Filme49, versucht sich aber auch als - wenig Vertrauen erweckender - "Sofortcoach".50 Er betreibt unter anderem ein Forum für eine rechtsradikale Partei51, eine Verschwörungswebsite, auf der auch Schlesinger sich gerne verbreitet52 und eine Seite über das Microdosing von Zauberpilzen53 Auf letzterer Website findet man neben einem Link zu einem Werbevideo von Provithor und eine von ihm verfasste Pressemappe für Provithor noch weitere Texten über Zauberpilze, aber auch über Themen wie beispielsweise "Cluster-Kopfschmerzen: der präventive Genozid".54 Dort und auf einigen seiner anderen Seiten macht er kräftig Werbung für Provithor, sein Jobtitel bei dieser Firma ist "Pressekontakt".55 Und auch er scheint ein Anhänger der Ideen Allegros zu sein.56

"Rechts? Das sind Wahrheiten, die nicht in Ihr Weltbild passen, weil Sie politisch konditioniert sind."

Früher war Kolpak Mitglied der FDP, dann der ebenfalls marktradikalen "Partei der Vernunft", mittlerweile scheint er der AfD nahe zu stehen. Sein Name taucht auch als Kontaktadresse für die "Deutsche ZivilGesellschaft" (DZiG) auf, die der Reichsbürgerbewegung nahe steht.57 Er ist zudem noch der Autor des Artikels "Sechs Millionen Juden" auf dem anonym betriebenen Blog "Der BRD Schwindel" [sic!]. In diesem Artikel befasst sich Kolpak mit der kabbalistischen Bedeutung der Zahl 6 Millionen. Ein Zitat: "Wer den kabbalistischen Hintergrund der Zahl '6 Millionen' untersucht, kann sich unterhaltsame Märchenstunden bereiten. [...] Von einer Prophezeiung [sic!], die irgendwie erfüllt werden muss, bis hin zu Geschäftsmodellen, die auf dieser Zahl aufbauen, ist viel Unterhaltsames zu entdecken – sogar die kolportierte Weisheit, es gebe weltweit 6 Millionen lebende oder bei Bedarf 6 Millionen tote Juden. Irgendwas passt immer..." (ebd.). Er selbst findet übrigens, dass seine Ansichten und seine Ausdrucksweise nicht dem rechten Spektrum zuzuordnen seien: So sagte er einem Reporter auf Nachfrage: "Rechts? Das sind Wahrheiten, die nicht in Ihr Weltbild passen, weil Sie politisch konditioniert sind."58 Muss man vielleicht Zauberpilze konsumieren, um diese Konditionierung zu durchbrechen?

Fazit

Steingräber, Schlesinger, Kolpak: Drei mal mehr, mal weniger offensichtlich extrem rechte Menschen betreiben also einen Versandhandel für Psychedelika, ein psychedelisches Retreat und "stehen hinter" "mycelf". Es handelt sich hier nicht nur um ein paar Spinner mit seltsamen Ideen: Egal welche Gründe jeder von ihnen für seine Ansichten haben mag, die Ansichten selbst sind rassistisch, chauvinistisch und einfach nur bösartig. Dafür gibt es keine Entschuldigung, auch nicht den offensichtlichen Narzissmus Schlesingers und Kolpaks: Die Mythomanie, die diese beiden ihren Mitmenschen so großzügig unterstellen, ist pure Projektion, die das eigene Weltbild rechtfertigen soll. Die Verbindung zwischen esoterischen Vorstellungen, Verschwörungstheorien, marktradikaler Ideologie und dem Konsum von Psychedelika ist dabei wenig überraschend: All diese Ideen existieren in einem Kontinuum, lassen sich gut miteinander in Verbindung bringen und zur gegenseitigen Rechtfertigung nutzbar machen.

Es ist unklar, wie es zu der Verbindung von "Provithor" und "mycelf" kam. Von Seiten der Betreiber beider Unternehmen gibt es bis jetzt nur Worthülsen. Die radikal rechten, spirituell-religiösen und neoliberalen Ideen aller Beteiligten sind ohne weiteres miteinander kompatibel, wenn sie auch in Details voneinander abweichen. Auch zu den weltanschaulichen Vorstellungen der Iboga-Shops betreibenden Reichsbürger (siehe den zweiten Teil dieser Serie) gibt es starke Ähnlichkeiten. Die Personen hinter "mycelf", "Provithor" und den Iboga-Shops sind jedoch keine Einzelfälle - sie haben sich nur stärker exponiert als durchschnittliche Basis-Mitglieder der psychedelischen Szene, von denen viele über ein ähnliches Weltbild verfügen. Denn in der Szene gibt es leider viel zu viele Personen, die ihre vollkommen unreflektierten, rechtsoffenen und verschwörungstheoretischen Ideen ungefragt und ungehindert verbreiten. Als Antwort auf Kritik an diesen Missständen hat die Szene nur billigste rhetorische Tricks und logische Fehlschlüsse: Zu groß ist die Harmoniesucht, zu fortgeschritten die selbstverschuldete und mit Nachdruck betriebene Eigenverblödung mit Hilfe von "Spiritualität" und Psychedelika.

In der sogenannten "Psychedelischen Renaissance" springen jetzt viele Menschen aus bloßer Gewinnsucht auf den psychedelischen Zug auf. Sie inszenieren sich ungeniert in der medialen Öffentlichkeit59 60. Dass Ideen von der - vielleicht auch nur vermeintlichen - Heilkraft psychedelischer Substanzen mittlerweile auch im medialen Mainstream behandelt werden61 62 führt dazu, dass dubiose Menschen mit extrem fragwürdigen weltanschaulichen Vorstellungen und Praktiken an die Oberfläche gespült werden. Doch auch im psychedelischen "Underground", in dem sich beispielsweise auch David Schlesinger vor seiner Tätigkeit für "Provithor" jahrzehntelang bewegte, gibt es Personen mit teils bösartigen Ansichten: Beispielsweise Miguel Delgado, ein kontroverser Anbieter von illegalen Ayahuasca-Retreats, der mit Lilli Steingräber von "Provithor" in freundschaftlicher und vermutlich auch geschäftlicher Verbindung steht. Zu Delgado und weiteren suspekten Akteuren aus seinem Umfeld geht es im nächsten Artikel dieser Reihe.



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Fußnoten:

[1] Psychedelika legal kaufen (fliegenpills.com)

[2] Magic Truffle Retreat in den Niederlanden (provithor.com)

[3] mycelf.eu (archivierte Version)

[4] Provithor - Kontakt (archivierte Version)

[5] Provithor - Über uns (archivierte Version)

[6] tnms.info/about-us (archivierte Version)

[7] Magisches Trüffel-Retreat auf Gran Canaria (provithor.com)

[8] Der erste Post auf der Facebook-Seite von "Thortrüffel" ist vom 18.04.20, der letzte vom 03.09.20. Der erste Post auf der Facebook-Seite von "Provithor vom 13.02.20.

[9] Facebook-Seite von "Thortrüffel"

[10] vgl. etwa eines der Tattoos auf der linken Brust des sogenannten sogenannten "QAnon-Schamanen" der prominent am Sturm des US-amerikanischen Kapitols am 06.01.2021 beteiligt war und ebenfalls Befürworter von Psychedelika ist.

[11] Wikipedia-Eintrag "Othala"

[12] "Symbole und Erkennungszeichen: Die Odal-Rune" (belltower.news)

[13] Die Man-Rune (belltower.news)

[14] Instagram

[15] Kommentar unter dem Artikel: Frage/Antwort – Wirkung von Drogen (archivierte Version)

[16] Alles über den Fliegenpilz (fliegenpills.com)

[17] Chris Bennett - The Fungi-Pareidolia of The Psychedelic Gospels (archivierte Version)

[18] Enebird - Über uns

[19] goodreads.com

[20] David Schlesinger auf LinkedIn

[21] David Schlesinger - "Psychedelische Renaissance" Vision, Ausblick und Wege zur Lösung aktueller Menschheitsfragen. (entheogene.de)

[22] Das erste Pilztaxi für München (MZEE-Forum)

[23] pilzkoepp.de

[24] pilzkoepp.de

[25] drugs-forum.com

[26] R. Stuart - Entheogenic Sects and Psychedelic Religions (PDF) (maps.org)

[27] Deutschsprachige Seite der Kirche (archivierte Version)

[30] Gesundheit! (archivierte Version)

[31] Entheogene Blätter Ausgabe 17 - Oktober 2003, S. 490ff

[32] Pilzpastor steht nach elf Jahren vor Gericht (Berner Zeitung) (archivierte Version)

[33] Berner "Pilz-Pastor" erhält 18 Monate bedingt (20min.ch)

[34] Gegendarstellung zum Artikel in Schweiz am Wochenende 1. Juli 2017 (passthor.info) (archivierte Version)

[35] Zauberpilze retten Leben (passthor.info) (archivierte Version)

[36] Buch von David Schlesinger: Drogenpolitischer Hexenwahn (dz-g.ru)

[37] Lilli Steingräber - LinkedIn

[38] David Schlesinger - LinkedIn

[39] Drogenlegalisierung (tupg.org)

[40] Gegendarstellung zum Artikel in Schweiz am Wochenende 1. Juli 2017 (passthor.info) (archivierte Version)

[41] Lilli Steingräber - The Sacred Mushroom Church of Switzerland (LinkedIn)

[42] Alles nur geplant: Die EU, ein Comic und das Virus-Märchen (dz-g.ru)

[43] voxpopulisphere.com

[44] Mythomanie unserer Zeit (tupg.org)

[45] die-zeit-des-anderen.de

[46] Die Zeit des Anderen (PDF)

[47] Magisches Trüffel-Retreat auf Gran Canaria (provithor.com)

[48] Pastor David Schlesinger (Teil 1 von 2)(youtube)

[49] hanskolpak.com

[50] sofortcoach.de/#uebermich

[51] afd-forum.eu

[52] dz-g.ru

[53] mikrodosierung.com

[54] Cluster-Kopfschmerzen: der präventive Genozid (PDF)(kolnet.de)

[55] pressemitteilung-profi.de

[56] Der Heilige Pilz und das Kreuz (PDF) (kolnet.de)

[57] Hans Kolpak (psiram.com)

[58] Kolpaks Visionen: Besuch bei einem Mann, der bereit ist (Der Standard)

[59] mycelf.eu/media (im Moment nicht erreichbar wegen cancel culture)

[60] unlock-your-self.de

[61] arte: "Heilende Drogen" (youtube)

[62] Trailer der Netflix-Serie "How to Change Your Mind" (youtube)



















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